Innovative Formen von Marketing-Technologien ermöglichen es Handelsunternehmen, die Schnittstelle zwischen Online- und stationärem Handel immer besser zu nutzen. Gerade der Geofence bietet hierbei spannende Anwendungsmöglichkeiten für Einzelhändler mit lokalen Geschäften. Einige Händler nutzen bereits die Vorteile dieser Technologie. Ein Primärziel dabei ist die Stärkung des Abverkaufs. Außerdem lässt sich die Bekanntheit des stationären Standorts deutlich erhöhen.
Doch was genau versteht man unter einem Geofence?
Die wörtliche Übersetzung „geographischer Zaun“ lässt kaum Rückschlüsse auf die Bedeutung und Einsatzmöglichkeiten dieses Marketing-Instruments zu. Beginnen wir deshalb zunächst mit einer kurzen Definition. Unter einem Geofence versteht man die virtuelle räumliche Abgrenzung eines Geschäfts in einem räumlichen Koordinatensystem (siehe Abbildung 1: gestrichelte Linien). Die Festlegung eines solchen Geofences erfolgt zumeist auf Grundlage der Gebäudestruktur des realen Markts, wie in Abbildung 1 beispielhaft dargestellt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Übereinstimmung der verwendeten Koordinaten mit der tatsächlichen räumlichen Situation immer an die Genauigkeit des verwendeten räumlichen Referenzsystems gekoppelt ist. Bei der Aussteuerung des Geofences sollte, wie in Abbildung 1 gezeigt, ein zusätzlicher Pufferbereich von 10–50 Metern, der z.B. Parkplätze umfasst, berücksichtig werden. Außerdem kann ein Geofence in einer vereinfachten Form nicht an die Marktform angepasst, sondern radial um einen festgelegten Punkt z.B. den Mittelpunkt eines Geschäfts festgelegt werden. Es entsteht hierbei ein kreisförmiger Geofence, welcher beispielsweise in einer Fußgängerzone oder um ein Outlet Sinn ergeben könnte. Damit lassen sich auch potentielle Kunden gewinnen, die sich vor den Geschäften der Konkurrenz aufhalten.
Abbildung 1: beispielhafte Geofences um Beispielmarkt (blau) und Wettbewerbsstandorte (rot)
Drive-to-Store — mehr Kundenverkehr für das Geschäft
Nach der Festlegung und räumlichen Verortung des Geofences stellt sich die Frage, wie dieser „virtuelle Zaun“ in der Praxis hilft, Menschen zum ein- oder mehrmaligen Einkauf in einem bestimmten Geschäft zu bewegen. Im Rahmen einer Drive-to-Store Kampagne können Geofences ein relevanter Bestandteil sein. Sie werden dabei als Bindeglied im sogenannten Drive-to-Store Marketing eingesetzt. Bei dieser Marketing-Form werden geeignete Angebote reichweitenstark und kanalübergreifend online sowie über Radiofrequenzen beworben. Wenn der Empfänger der Werbung nun Interesse an den beworbenen Produkten entwickelt, besteht die Möglichkeit, dass er sich im Internet darüber informiert. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit dass der sogenannte ROPO-Effekt (Research Online – Purchase Offline) eintritt, was darauf zurückzuführen ist, dass viele User das Internet zur Recherche nutzen, dann aber bevorzugt den stationären Handel zum Kauf aufsuchen.
Geofences in der Praxis
Sobald ein potentieller Kunde sich für einen festgelegten Zeitraum innerhalb dieser Begrenzung aufhält und auf seinem Smartphone Apps eines vordefinierten App-Netzwerkes mit Standortfreigabe aktiv hat, wird dessen Mobile-ID an das App-Netzwerk gesendet. Dieses spielt die vom Händler vordefinierte statische oder dynamische Werbung auf das Smartphone unmittelbar oder zu einen späteren Zeitpunkt aus. Dies geschieht meistens in Form einer Push-Nachricht, insofern der Nutzer sein jederzeit widerrufbares Einverständnis dazu abgegeben hat. Beispielhaft ist die Verknüpfung des Geofences mit Wetterdaten, woraus sich die Möglichkeit ergibt, gezielt tagesaktuelle Produkte zu bewerben. Ein interessanter vorstellbarer Anwendungsfall wäre, potentielle Kunden unter Verwendung der installierten Wetter-App unmittelbar auf eine Wetterveränderung hinzuweisen und geeignete Produkte wie beispielsweise Frostschutzmittel oder Streusalz aus dem eigenen Sortiment anzubieten.
Nah am potentiellen Kunden mit zielgruppenspezifische Ausspielung
Ein spannendes Anwendungs-Szenario ist die Verknüpfung von Geofences mit vordefinierten Zielgruppen. Dabei stellt sich die Frage, welche Zielgruppe welchen Coupon idealerweise personalisiert zugespielt bekommt. Auf der Grundlage der Geofence-Daten sowie zusätzlicher anonymisierter Daten aus den genutzten App-Netzwerken können Home- und Workzones relevanter Zielgruppen ermittelt werden. Darauf basierend können zielgruppenspezifische Angebote generiert und in diesen Gebieten ausgespielt werden. Schlussendlich erhält der stationäre Händler durch Datenauswertung nach einer gewissen Zeitspanne zusätzlich die Möglichkeit, weitere potentielle Neukunden über andere Kanäle anzusprechen.
Geofences und Kunden-Apps – Ein Gamechanger ?
Besonders zu erwähnen sind Kunden-Apps die es mit Hilfe von anonymisierten Kundenprofilen erlauben, deutlich personalisierter Angebote zu unterbreiten. Falls ein Kunde schon ein Online-Kundenkonto besitzt, können diesem auf Grundlage seines aus der Bestellhistorie ermittelten Kaufmuster hochgradig personalisierte Coupons auf das Smartphone gesendet werden. Dadurch lassen sich die Umsätze mit diesem Kunden im stationären Geschäft steigern. Mit Verlassen des Geofences enden die potentiellen Nutzungsmöglichkeiten keinesfalls. Geht der Kunde zu einen späteren Zeitpunkt zuhause in den Online-Shop des Unternehmens können dort auf Basis der gesammelten Daten des stationären Einkaufs weitere passgenaue Produkte angeboten werden, welche für den Kunden eine hohe Relevanz besitzen.
Abbildung 2: Marktaufbau und Beacon-Standorte im Beispielmarkt
Das auf den Kunden zugeschnittene Werbeverhalten lässt sich sogar noch weiter individualisieren: eine der sinnvollsten und zudem noch relativ leicht umsetzbaren Maßnahmen ist die Nutzung sogenannter Beacons. Hierbei handelt es sich um eine auf den stationären Handel zugeschnittene Weiterentwicklung der Bluetooth-Technologie. Hierzu wird ein Sender auf Basis der Bluetooth Low Energy Spezifikation genutzt, der mit einem Kundensmartphone genutzt werden kann. Diese Technologie ermöglicht es dem stationären Einzelhändler einen zumeist noch relativ großräumigen Geofence sehr kleinteilig in verschiedene Abschnitte zu untergliedern. Dadurch lässt sich ein differenziertes Abteilungskonzept abbilden. Die Verteilung der Beacons in den verschiedenen Abteilungen des Markts (siehe Abbildung 3 hellblaue Punkte) erlaubt eine genaue Auswertung der Kundenverweildauer in den einzelnen Abteilungen. Unter Nutzung der gewonnenen Daten über die Aufenthaltsdauer können dem stationären Kunden später im Online-Shop passende Produkte aus Abteilungen vorgeschlagen werden, die er längere Zeit besucht hat.
Fazit
Anhand der dargestellten Möglichkeiten wird deutlich, wie Geofences im Rahmen neuer Marketing-Formen den stationären Einzelhandel zunehmend prägen werden. Für Händler ergeben sich Chancen, neue Kunden zu gewinnen und den Abverkauf bei bereits bestehenden Kunden zu steigern. Durch die Verknüpfung von Geofences mit der Beacon-Technologie kann das Einkaufserlebnis für Kunden verbessert werden. Diese können mit individuellen und personalisierten Angeboten adressiert werden, was die Wahrscheinlichkeit für einen Kauf deutlich erhöht. In Verbindung mit einer passgenauen crossmedialen Werbestrategie erhöht der stationäre Handel durch den Einsatz von Geofences die Wahrscheinlichkeit, im zunehmend fragmentierten Markt erfolgreich zu bestehen und Marktanteile gegenüber der Online-Konkurrenz zu sichern.
Quellen:
https://www.itwissen.info/Geofencing-geofencing.html (Stand: 17.03.2022)
https://www.akademie-marketing.com/magazin/geofencing/ (Stand 18.03.2022)
https://blog.hubspot.de/marketing/geofencing (Stand 18.03.2022)
https://www.ijert.org/research/smart-geofencing-an-inventive-mobile-marketing-strategy-IJERTV8IS060233.pdf (Stand 21.03.2022)
https://www.digitallogic.co/blog/geofencing-examples/#Examples_of_Geofencing (Stand 23.03.2022)